Licht und Schatten an der Mittelmeerküste

Am Anfang sieht man einen langen Sandstrand, auf dem nur ein paar Menschen und Fischerboote zu erkennen sind. Rund 140 Seiten später reiht sich hier ein Hochhaus ans nächste, vom Strand und der Landschaft dahinter ist kaum noch etwas übriggeblieben. Was dazwischen mit dem kleinen Ort an der spanischen Mittelmeerküste und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern passiert ist, führt die Illustratorin Ana Penyas in ihrem Buch „Sonnenseiten“ (aus dem Spanischen von Lea Hübner, bahoe books, 144 S., 19 €) vor Augen.

Penyas, geboren 1987, gehört zu den wichtigsten neueren Stimmen der spanischen Comicszene. Die in Sevilla lebende Zeichnerin wirft einen kritischen Blick auf jenen Wirtschaftszweig, den viele Deutsche in erster Linie mit ihrem Land verbinden dürften: Tourismus. Am Beispiel einer Familie, die an der Ostküste der Iberischen Halbinsel lebt, entfaltet sie ein sozialkritisches Panorama, das die tiefgreifenden Folgen von Massentourismus, Neoliberalismus und Gentrifizierung vor Augen führt.

Penyas arbeitet in ihren Werken viel mit Collagen, und auch „Sonnenseiten“ ist ein Gemisch aus eigenen, teils leicht karikierenden Blei- und Buntstiftzeichnungen mit übermalten Fotoelementen, Werbegrafiken, Ausschnitten aus Reiseführern sowie nachbearbeiteten Szenen aus Dokumentarfilmen. Im Laufe der nach Jahren geordneten Episoden, in denen unterschiedliche Mitglieder der Familie im Fokus stehen, zeigt sich, dass hier zwar primär die Geschichte eines spezifischen Ortes vermittelt wird, wie es sie auch von anderen Touristenregionen am Mittelmeer zu erzählen gibt. Manche Passagen lassen sich jedoch leicht auf andere Länder übertragen. So könnte die Gentrifizierung eines einst verrufenen Wohnviertels zum trendigen Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt ebenso gut in Berlin spielen.

Lars von Törne