Für die Gestaltung dieses Sammelbandes haben sich gleich drei in Österreich tätige Organisationen zusammengeschlossen, die u.a. das auch in das Buchprojekt eingeflossene Anliegen eint, der »neoliberalen Vorherrschaft des Marktes« (S. 7) etwas entgegensetzen zu wollen: Es handelt sich hier um die Armutskonferenz, ein Netzwerk von über 40 Organisationen, Attac, eine globalisierungskritische NGO, sowie Beigewum – jenen Verein der die Zeitschrift Kurswechsel herausgibt, um in laufende politische Debatten wissenschaftliche Expertise einzubringen. Die im Buch vertretenen 30 AutorInnen sind zum großteil in einer dieser drei Organisationen aktiv, es haben aber auch AutorInnen »von außen« daran mitgewirkt. Insgesamt handelt es sich also um einen breiten Schulterschluss, der sich ebenfalls darin äußert, dass Bundespräsident Alexander van der Bellen, die Leiterin des Momentum Institutes Barbara Blaha sowie die Gründerin des Instituts für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien Sigrid Stagl am Buchrücken mit einem Statement vertreten sind.

Worum geht es nun in dem Buch? Der Begriff »klimasozial« verweist darauf, dass Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit zusammengedacht werden müssen. Um das Thema anzugehen, haben die HerausgeberInnen den Sammelband in zwei Teile gegliedert. Im ersten Abschnitt »Die Klimakrise in Österreich« erfolgt zunächst eine Standortbestimmung. In diesem Zusammenhang wird auf zentrale AkteurInnen in der Klimabewegung in Österreich eingegangen. Weiters wird die bisherige Klimapolitik in Österreich analysiert, wie sich die Emissionen auf Länder und Sektoren verteilen und welche Formen der Zuordnung von Emissionen bestehen. Diesbezüglich werden unterschiedliche Maßnahmen zur Eindämmung der Emissionen in Hinblick auf ihre Effektivität, Kostenintensität, Verteilungsgerechtigkeit und Infragestellung des Wirtschaftswachstums diskutiert. Der letzte Beitrag dieses Abschnitts trägt dann die Argumente zusammen, weshalb die Schaffung einer klimagerechten Gesellschaft an eine Sozialpolitik gekoppelt sein muss. Dies ergibt sich kurz gesagt schon aus dem Umstand, dass WenigverdienerInnen und Armutsbetroffene von den Auswirkungen der Klimakrise ungleich härter betroffen sind, da sie schlicht weniger Spielraum haben, um sich vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen oder Umweltbelastungen zu vermeiden. Ein guter ausgebauter Sozialstaat ist daher eine notwendige Voraussetzung, um eine sozial-ökologische Transformation gerecht zu gestalten. Die Maxime lautet: »ein materielles Genug für alle, kein Zuviel für jedermann und jederfrau« (74).

Was dies konkret bedeutet, wird im folgenden zweiten Abschnitt mit dem Titel »Klimasoziale Politik« erläutert. Hier werden konkrete Politikfelder aufgegriffen sowie mögliche Maßnahmen und Herangehensweisen für klimasoziale Weichenstellungen in den einzelnen Bereichen besprochen. Dieser Teil nimmt fast zwei Drittel des Buches ein, wobei die Beiträge tendenziell etwas kürzer als im ersten Abschnitt sind und ein breites Spektrum an Themen abdecken: Dazu zählen Migration, Gesundheit, Ernährung, Wohnen, Mobilität und Pflege. Weitere Felder sind Inklusion, soziale Ungleichheit, Überreichtum, Lohnarbeit, Industrie, Handel, Rohstoffe sowie ein zukunftsfähiges Staatsbudget. Die gemeinsame Klammer dieser Beiträge liegt darin, dass sie mehr oder weniger ausgeprägt die Rolle des Staates in Erinnerung rufen – es geht eben um die Politiken. Und diese erfordern staatliches Handeln: sei es, dass der Staat die notwendigen Infrastruktur bereitstellt, beispielsweise in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Gesundheit und Pflege, sei es, dass der Staat durch öffentliche Auftragsvergabe entsprechende Weichenstellung trifft, sei es, dass er selbst als Arbeitgeber in klimafreundlichen Berufen auftrifft, oder sei es durch eine Gesetzgebungstätigkeit, die das Klima schützt und soziale Ungleichheit abbaut. Dazu gehören nicht nur Maßnahmen für die Emissionsreduktion, wie sie im ersten Kapitel vorgestellt werden, sondern z.B. auch die Arbeitszeitverkürzung. Dieser Abschnitt geht aber auch auf die Hürden ein, die aufgrund ungleicher Machtverhältnisse in der Handelspolitik bestehen, wobei im Kapitel über Ressourcen die Forderung nach einem Lieferkettengesetz vorgestellt wird.

Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb hat dem Buch ein interessantes Nachwort beigesteuert, in dem sie darauf verweist, dass die Klimakrise nur ein Zeichen eines tiefersitzenden Übels ist, nämlich der Übernutzung der natürlichen Ressourcen, die wir auf dem Planeten Erde zur Verfügung haben. Für sie ist es durchaus möglich, dass wir auf eine »Fortress World« (248) zusteuern, in der wenige alles haben und fast alle geknechtet darben. Es ist keineswegs sicher, ob eine große Transformation hin zu einer nachhaltigeren, gerechteren, empathischeren und gesünderen Zukunft gelingen wird.

Es ist ein Verdienst dieses Buches, erste Hinweise zu liefern, wie wir die zweite Vision Wirklichkeit werden lassen können. Der Schwerpunkt liegt nicht auf einer Kritik unseres, die Lebensgrundlagen zerstörenden gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystems, sondern auf der pragmatischen und praktischen Umsetzung klimasozialer Maßnahmen, welche Hoffnung auf eine »gute Zukunft« befördern und eventuell die schlimmsten Folgen abwenden sollen. Es handelt sich hier also um einen »realpolitischen« Zugang, der sich an den anerkannten Bedingungen und Möglichkeiten orientier. Aufgrund der sprachlichen Allgemeinverständlichkeit und der nicht zu langen Artikel hat das Buch Potenzial, eine breite LeserInnenschaft anzusprechen. Einzige Voraussetzung ist das Interesse am Thema. Und dieses dürfte durchaus vorhanden sein, schließlich liegt das Buch kurz nach Erscheinen bereits in der zweiten Auflage vor. Angesichts der Breite der bearbeiteten Themen finden aber auch bereits mit dem Thema Vertraute neue Informationen und können ihr Wissen vertiefen.