Die Klimakrise ist auch eine eminent soziale Frage – global und national.

KLIMAPOLITIK BRAUCHT SOZIALES AUFBRUCHSSIGNAL

Die Klimastreifen („Warming Stripes“) machen optisch den langfristigen Temperaturverlauf sichtbar. Daran zeigt sich, dass wir längst in der Klimakrise angekommen sind. Für sozial schwache Gruppen wird das besonders spürbar.

Laut dem „Climate Inequality Report“ verursachen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung weltweit fast die Hälfte (48 Prozent) der globalen Emissionen. Ob Privatjets oder Luxusgüter – es ist eine Frage des Lebensstils, wie man um ein vielfaches klimaschädlicher lebt als Normalbürger*innen. Ob man dabei an entstehende Heiß- und Dürrezonen in Afrika denkt oder an Überschwemmungen wie jene in Pakistan 2022, als ein Drittel der Landesfläche unter Wasser stand – die Diskussion über globale Klimagerechtigkeit muss zweifellos geführt werden. Damit stellt sich auch die Frage nach dem Verursacherprinzip:
Während die Industrieländer des globalen Nordens einen Großteil der Klimagase emittieren, ist der globale Süden überdurchschnittlich von den Folgen betroffen. Verantwortung trägt letztlich jede*r, wie der Klimarechner zeigt.
Ein kleines Beispiel: Eine einzige Flugreise von Wien nach Spanien stößt sechs Mal so viel CO2 aus wie eine Person in afrikanischen Staaten wie Nigeria, Ghana oder Sudan in einem gesamten Jahr verbraucht. Deshalb ist es zu wenig, zu warten, bis die Regierungen in die Gänge kommen. In Österreich steigen trotz gegenteiliger politischer Absichtserklärungen jedes Jahr die Emissionen. Die Klimaziele bis 2040 sind laut Wissenschaft in weiter Ferne.

Finanzierung der Klimapolitik

Wie aber könnten nationale und globale Maßnahmen finanziert werden, ohne dass die nationalen Budgets und damit sozial schwache Bevölkerungsteile belastet werden? Dafür sollten die Subventionen für fossile Energieträger, die jährlich rund 500 Milliarden Dollar weltweit betragen, reduziert werden. Der globale Süden könnte wahrscheinlich nicht so schnell reagieren wie die Industrieländer. Ein zentraler Hebel wäre, Steuerschlupflöcher für besonders hohe Vermögen zu schließen. Mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer und Erbschaftssteuer könnte ein Staatsfonds gespeist werden, dessen Budget zweckgebunden für Klima- und Infrastruktur verwendet wird. Die Idee solcher Zukunftsfonds wurde bereits auf Ebene der G20-Staaten vorgeschlagen, bislang allerdings ohne Erfolg. Keinesfalls sollten die ohnehin schwer verschuldeten Staatshaushalte dafür herhalten oder neue Schulden aufgenommen werden. Die Finanztransaktionssteuer würde eine minimale Mehrwertsteuer im Finanzbereich bedeuten.
Ein Vergleich: Wer heute Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Mehl oder Fleisch kauft, zahlt zehn Prozent Mehrwertsteuer. Für Bücher beträgt sie fünf Prozent. Wer Aktien oder Anleihen erwirbt oder im Hochfrequenzhandel investiert, zahlt null Steuern. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für einer praktischen Ebene fortsetzen, wie Laura Allinger, Redaktionsmitglied von Klimasoziale Politik“ erzählt. Sie skizziert drei konkrete Projekte.

Betroffen von der Klimakrise

Im Rahmen des Projekts „Klimasoziales Linz“, das seit Juni läuft und als praktische Weiterführung des Buches zu sehen ist, soll zwei Jahre lang erhoben werden, was sich zivilgesellschaftliche Akteur*innen unter dem Begriff „klimasozial“ vorstellen. „Für uns bedeutet das“, erklärt Allinger, „dass Klimapolitik und Sozialpolitik immer gemeinsam gedacht wird. Wenn man Klimapolitik macht, muss man auch Sozialpolitik machen, die für eine Verbesserung unserer Lebensverhältnisse sorgt.“ In einer Kooperation mit der Kunstuniversität Linz sollen Workshops mit diversen Gesellschaftsgruppen wie Armutsbetroffenen und mit Schüler*innen veranstaltet werden. Lokale Wissensbestände könnten dafür genutzt werden, um herauszufinden, welche klimasozialen Handlungsmöglichkeiten es überhaupt für Linz gibt. Spannend, ob die Stadt am Ende Vorschläge aufgreift und in die Praxis umsetzen wird.
Bereits seit Anfang dieses Jahres erhebt die Volkshilfe mit dem Projekt „Betroffen von der Klimakrise“ in Umfragen, wie sich die klimatischen Veränderungen in unserer Gesellschaft auswirken. Allinger: „Dabei gehen wir auf das Wirtschaftsforschung im Jahr 2015 würden bereits 0,1 Prozent Steuern auf Aktien und Anlagen und 0,01 Prozent im Hochfrequenzhandel jährlich 40 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen. Bei einem Alleingang wären das durch die Verlagerung dieser Geschäfte nur noch 14 Milliarden Euro. In Österreich gibt es bislang keine Finanztransaktionssteuer, lediglich eine Kapitalertragssteuer. Auch eine Erbschaftssteuer für hohe Vermögenswerte (also v.a. auch bei größeren Unternehmen) gibt es in Österreich nicht. Die Erbschaftssteuer wurde generell im Jahr 2008 abgeschafft. Das hat auch die soziale Ungleichheit und Konzentration von Vermögen wesentlich verstärkt. Mehr zu diesem Thema in einem absoluten Standardwerk zum Thema: „3 Grad mehr – Ein Blick in die drohende Heißzeit und wie uns die Natur helfen kann, sie zu verhindern“, herausgegeben von Klaus Wiegandt, erschienen im Oekom-Verlag 2022.

Klimasoziale Politik

Eine andere Publikation „Klimasoziale Politik – Eine gerechte und emissionsfreie Gesellschaft gestalten“ beschäftigt sich mit den konkreten sozialen Auswirkungen der Klimakrise auf Österreich. Herausgegeben von der Armutskonferenz, Attac und Beigewum finden sich in einer Reihe höchst lesenswerter Beiträge verschiedene Ansätze, um die Klimawende sozial zu gestalten. Fragen des Wohnens, der Ernährung, der Pflege, der Geschlechtergerechtigkeit und Migrationsthematik, aber auch damit zusammenhängend Fragen nach der Budget-, Steuer- und Industriepolitik werden hier kritisch und sehr übersichtlich angesprochen. Die Lektüre des Buches erinnert daran, dass die Klimakrise noch immer viel zu wenig über soziale Fragen diskutiert wird bzw. nötige Lösungsansätze gemeinsam mit betroffenen Bevölkerungsgruppen angedacht
werden. Diesen Anspruch haben mehrere Projekte, die Themen wie diese auf Phänomen ein, dass Armutsbetroffene global aber auch in Österreich am wenigsten zur Klimakrise beitragen, aber zugleich am stärksten von den Folgen betroffen sind. Ziel des Projekts ist es, Kommunikationsformate für armutsbetroffene Menschen im Umgang mit der Klimakrise zu entwickeln und dabei Wissensvermittlung, Empowerment, sowie mehr Wissen zum Thema Klimagerechtigkeit zu generieren.“ Am Ende sollen Workshops und Beteiligungs-Cafés für betroffene Menschen und Expert*innen einen Austausch ermöglichen.
Ein drittes Projekt – „Konsumkorridore“ – von der Armutskonferenz und dem Ökobüro initiiert, widmet sich den Schritten zu einem verantwortungsvollen und sozial gerechten Ressourcen- und Energieverbrauch. Allinger dazu:
Gemeinsam mit Wissenschafter*innen wird überlegt, welche Unter- und Obergrenzen des Konsums unsere Gesellschaft braucht, damit wir einerseits die planetaren Grenzen nicht überschreiten, andererseits ein gutes Leben für alle ermöglichen können. Wichtig ist, die Verantwortung für die nötige Verbrauchsreduktion sozial fair zu verteilen.“ In diesem Fall ist ganz klar die Politik aufgerufen, längst überfällige Schritte zu setzen.
Die Stadt Wien beginnt nun in einem Pilotprojekt um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zu spät, erste Wohnungen auf Erdwärme umzurüsten. Bis sich das 1,5-Grad-Fenster schließt, wird die Umstellung auf emissionsarme Heizungen aber nur für einen kleinen Teil der Gemeindewohnungen möglich sein.

 

mo-Redaktion, Nr. 71/2023