Spätestens seit Dr. Erika Fuchs und Carl Barks sind Comics und Graphic Novels als eigene Kunstform anerkannt. Sie können all das, was Kunst können sollte: Sie unterhalten, sie provozieren, sie berühren und sie sind seit Art Spiegelman und seinen beiden Maus- Bänden ein wichtiges Instrument, um die Geschichte zu reflektieren und zu verarbeiten.

Eine sehr persönliche Geschichte erzählt das Team Salva Rubio (Szenario), Pedro J. Colombo (Illustration) und Aintzane Landa (Kolorierung) in seinem 2021 im Verlag bahoe books erschienen Band „Der Fotograf von Mauthausen“. Die Story beginnt drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Grenze zwischen Spanien und Frankreich. Der Fotograf Francisco Boix wartet auf seine Schwester und blickt auf die letzten Jahre zurück. Jahre, die er im Konzentrationslager Mauthausen verbracht hat.

Jahre, die damit begonnen haben, dass Menschen wie Franciso, nur weil sie die falsche Religion, die falsche Weltanschauung hatten oder schlicht das falsche Leben führten, von staatlich institutionalisierten Verbrechern in Lager verschleppt wurden. Dort wurden diesen Menschen ihr Hab und Gut, ihre Kleidung, ihre Haare, ihre Geschichte, ihre Würde und ihre Namen genommen. Aus Francisco Boix wurde Nummer 5185.

Nach der Deportation muss Francisco zuerst im Steinbruch arbeiten und lernt die Losung von Mauthausen: Keiner der Häftlinge wird das Lager lebend verlassen. Doch den Nazis gelingt es nicht, Francisco zu brechen. Er will, er muss überleben, um der Nachwelt von den Verbrechen, dem Terror und von der systematischen Vernichtung der Insassen erzählen zu können.

Francisco lernt zu überleben. Er findet eine Aufgabe beim Fotografen des Lagers, der die Deportierten bei ihrer Ankunft im Lager aufnimmt und dokumentiert. Bei dieser Arbeit lernt er den SS-Hauptscharführer Paul Ricken kennen. Ricken hat sich zur Aufgabe gemacht, den Tod zu ästhetisieren, zur Kunstform zu erheben. Er inszeniert die Morde als Suizide, die Toten werden in schönen, gut ausgeleuchteten Aufnahmen präsentiert. Und für das gute Licht muss Francisco sorgen.

Er erkennt, dass er mit diesen Bildern etwas in der Hand hat, das die Verbrechen, mit denen er täglich konfrontiert ist, beweist. Mit der Unterstützung anderer Häftlinge gelingt es Francisco, Negative aus der Fotobaracke zu schmuggeln und am Gelände des Konzentrationslagers zu verstecken. Eine Aktion, die unter den Insassen nicht unumstritten ist, würde eine Entdeckung doch fatale Folgen für alle haben.

„Der Fotograf von Mauthausen“ ist ein Dokument eines der dunkelsten Teile unserer Geschichte. Einer Geschichte, die vor mehr als 75 Jahren zu Ende gegangen ist, die aber bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Diese Aufarbeitung wird auch immer schwieriger, weil es kaum noch Zeitzeugen gibt, die von dem Wahnsinn berichten können. Umso wichtiger sind Bücher, die von damals erzählen. Der vorliegende Band zeigt aber nicht nur die Gräuel des faschistischen Systems in Österreich und Deutschland. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, dem schwere, unmögliche Entscheidungen abverlangt werden. Rettet er die Beweise, die die Verbrechen dokumentieren und bringt damit sich und seine Freunde in Lebensgefahr? Oder hält er still und erhöht die Wahrscheinlichkeit für seine Freunde und sich, das Ende des Krieges und die Zeit danach zu erleben? Das alles setzen Rubio, Colombo und Landa in bedrückende, düstere und eindringliche Bilder um, zeichnen die Personen charakterstark.

Im Anhang finden sich Texte und Dokumente, die die Geschichte von Francisco Boix von den Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg bis nach Mauthausen erklären und vertiefen. Es finden sich auch Fotografien, die die Vorlage für viele Bilder der vorliegenden Graphic Novel bildeten. Francisco Boix starb 1951 an einer Krankheit, die er sich vermutlich während seiner Lagerhaft in Mauthausen zuzog. Mit dem Buch „Der Fotograf von Mauthausen“ setzt ihm der Verlag bahoe books ein düsteres, emotionales, bildgewaltiges Denkmal, das in einer Zeit, in der Zweifel an der Demokratie salonfähig sind, enorm wichtig ist.